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Geheimsache Politprozesse
- Systemwechsel durch Uminterpretation: Verfassungsschutz und Gerichtsbarkeit nach dem linken Marsch durch die Institutionen -

 von Klaus Kunze

Vorwort

Alle gro­ßen Weltanschauungen ha­ben ihren Gegnern mancherlei Göt­ter und Hei­lige entrissen und ihrem eigenen Pantheon eingefügt. In der Geistes­ge­schichte setzt sich die­je­ni­ge Strö­­­mung in einer be­stimm­ten Zeit durch, die im­stande ist, frem­des Ge­­­dan­­ken­gut gemäß den ei­ge­nen Zie­len um­zu­deu­ten bzw. um­zu­funk­­tio­­nie­ren, so daß dieses schließ­lich Ab­sich­ten dient, die mit denen sei­­ner Ur­­he­ber sogar im Ge­gen­satz ste­hen kön­nen.Wie ein eleganter Fechter die Dynamik des Gegners zum eigenen Hieb ausnutzt, trifft der gei­stige Kon­trahent sei­nen Gegner am wirkungs­voll­sten mit dessen eigenen Ideen.

Gei­stige Kämpfe haben ihre eigenen Gesetze. Ihr ober­stes lautet, daß Ideen Waffen sind. Wer sie souverän beherrscht, läßt keine unbe­nutzt. Leider haben Eleganz und Esprit in Deutschland wenig Tradition. Statt mit dem Degen geht man lieber mit verbalen Keulen aufeinander los. Wer den Gegner widerlegen will, muß ihn aber erst einmal ver­stan­den ha­ben. Dazu fehlen heute oft schon die Grundvor­aussetzungen: Mo­ra­lisie­ren­der ideologischer Haß will nicht verstehen, und mangelnde hi­stori­sche und philosophische Bildung kann nicht verstehen. Engstir­ni­ger Denk­stil läßt gute Ideen unbe­nutzt, bloß weil sie ur­sprünglich von je­­mandem ge­dacht waren, der heute als po­li­tisch nicht korrekt gilt. So do­minieren Dogma­tiker, die nicht einmal im­stande sind, die geistigen Waf­fen auch nur vom Bo­den zu heben, mit de­nen Kontrahenten in frü­heren Zeit­­altern mit Leichtigkeit foch­ten. 

Wehe, Ideen gelangen in die Hände von Bürokraten! Sie können mit ih­nen nicht umgehen, denn das selbständige Denken ist ihnen fremd. Sie sortieren uns in büro­kra­tische Schubladen, je nach dem, welche Be­griffe wir benutzen. Wer "Freiheit" sagte, galt schon der landesfürstli­chen Po­licey im Vor­märz als ver­dächtig. Man­cher kluge Kopf lan­dete in der Fe­stung. Auch heute gibt es wieder Reiz­worte, die bei gewis­sen Eiferern Pawlowsche Reflexe auslösen. Wir soll­ten jeden belä­cheln, der andere nur in Gut-Böse- oder Rechts-Links-Scha­blonen pres­sen und ih­nen krampfhaft ir­gend­wel­che Ismen auf­kleben kann.

Dagegen achte ich jeden Andersdenkenden hoch und spare nicht mit Be­wunde­rung, wenn er Hiebe pariert und gewitzt kontert. Gäbe es doch mehr geistrei­che und gewitz­te Gegner! Die verbe­amteten Alt-68er sind so humor­los wie ih­re schmal­­brüstige Ideo­lo­gie witzlos. Wo sie noch 1968 auf Gym­nasium oder Uni mit dem gei­stigen Florett auf Muff von tau­send Jahren losge­gangen waren, schwin­gen sie 1998 nur noch müde ih­re Fa­schis­mus-Keule. Doch die handha­ben sie inzwi­schen von oben herab: Von Kanzeln predigen Pastoren Dritte­welt­schmerz, vom Kathe­der pau­ken Leh­rer Betroffen­heiten ein, und hinter den Schran­ken man­cher Ge­richte lu­gen unter schwarzen Ro­ben ausgefranste Jeans hervor. Was da­bei her­aus­kommt, ist Thema dieses Buches:

Die dunkle Seite der Macht des Verfassungsschutzes liegt in seiner inquisitorischen Tendenz. Wie jede historische Inquisition sucht sie die Menschen erst zu bespitzeln und dann in ihr Handeln, zuletzt auch in ihr Denken ein­zudrin­gen. Neben einfälti­gen Bürokraten treiben in den Amtsstuben und Gerich­ten bereits linksextre­mistische Ideologen ihr Wesen. Was ihnen für Über­zeugungsarbeit an Geist fehlt, machen sie durch amt­liche Macht wett. Auch sie interpretieren um, und zwar unser Grundgesetz: von der frei­heitlichen demokratischen hin zur antifa­schistisch-doktrinä­ren Grund­ord­nung. Ohne einen einzigen ihrer Buchstaben verändern zu müssen, legen sie der Verfas­sung ihre Ideologie unter. Der ideo­logische System­wechsel auf Samtpfötchen hat schon stattgefunden.


Die Funktion des Verfassungsschutzes für den Par­teienstaat

Die Bundestagsdrucksache 12/6000 vom 3.11.1993 enthält den Be­richt der Ge­meinsamen Verfassungskommission (Bundestag, 12.Wahlperiode, BT-Drucksache 12/6000 vom 5.11.1993, S.14.). Dort findet wir bun­des­tagsamtlich den offen­herzigen Satz:

"Probleme der Verfassung und der Verfassungs­reform sind letztlich politische Machtfragen."

So ist es. Im Gewaltstaat kommt die politische Macht nach einem Wort Mao Tse Tungs aus den Gewehrläu­fen. Im Rechtsstaat äußert sie sich hingegen in der Inter­pre­tations­macht über das Recht. Die Macht hat, wer die Regeln regelt: Die Spielre­geln im Rechtsstaat heißen Ge­setze. Gesetze sind allgemeingülti­ge Gebote und be­stehen aus Worten und Sät­zen. Wer über den Sinn inter­pretati­onsfähiger Worte ent­schei­det, be­stimmt darüber, welcher Bürger und welche Partei gesetz­lich und wel­che ungesetz­lich denkt oder handelt.

Anders als der buchstabengläubige Laie glaubt, gibt es keine Worte, die nicht ver­schiedener Ausle­gung fähig sind. Da glaubte man jahr­zehn­te­lang: ei­ne Ehe - das sei not­wendigerweise ein Mann und ei­ne Frau. Wenn nun aber eine neue Präsidentin Limbach des Bundesver­fas­sungs­gerichts erklärt: Warum soll ein Homosexuellen-Pärchen keine Ehe sein? - muß eben jemand entscheiden, ob das Wort "Ehe" auch gleich­ge­schlecht­liche Paare umfaßt. Wer diese Ent­schei­dungsmacht zur letzt­ver­bindli­chen In­ter­preta­tion besitzt, vermag andere Bürger inner­halb oder außerhalb "des Ge­setzes" zu stellen. Wer sich draußen vor die Tür von Recht und Ver­fas­sung gesetzt findet, muß sich von drin­nen "Verfassungs­feind" nennen lassen.

Die Interpretationsmacht über Verfassung und Gesetze ist einer der hei­ßest­um­kämpften Schauplät­ze der politischen Arena. Weil Worte wie Ehe, Demo­kratie oder Menschenwürde keinen realen Bedeu­tungskern besitzen, sondern nur Ideen oder Ideale umschreiben, wechselte ihre Auslegung im Laufe der Jahrhun­derte mit den Moden der Philosophie und der Theologie. Es gibt darum kein Gesetzesrecht, das durch den Wortlaut seiner Buchsta­ben al­lein unum­stößlich und ewig gilt. Es wird jeweils aus der Sicht wech­selnder Weltanschau­ungen oder Ideologien in­terpretiert. Das Bundesver­fas­sungsge­richt bezeich­net die dem Grund­ge­setz zugrundeliegende Weltan­schauung tref­fend als Wertord­nung. Ein und dersel­be Begriff wie etwa Ge­meinwohl oder Gemein­eigentum kann aus Sicht verschiedener Wertordnungen ganz ver­schiedenes be­deuten. Darum suchen die Gegner im politischen Wett­kampf den für alle gelten­den Gesetzes­worten jeweils ihren eigenen weltan­schauli­chen Sinnge­halt zuzuspre­chen.

Klar bekannte sich dazu im Namen des Landes Land Rheinland-Pfalz Prof. Friedhelm Hufen (Prof.Dr.Friedhelm Hufen, ord. Prof. f. öff. Recht an der Uni Mainz, hier: Schriftsatz vom 16.2.1998 an das VG Mainz, Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Mainz vom 10.12.1997 7 K 102/94.Mz, S.16.): Es komme darauf an, "normative Be­grif­fe wie frei­heitliche demokratische Grundordnung und Men­schen­würde nicht sta­tisch zu interpretieren." In diesem Eingeständnis liegt ein Ab­schied von der Fiktion der unver­brüch­lichen "Herrschaft des Ge­setzes". Wer das Gesetz durch einen Vorbehalt wechselnder ideo­logi­scher Aus­legungen relativiert, verändert die Natur des politischen Kon­flikts: Er wird nicht mehr mit rechtlichen, sondern mit ideolo­gischen Waffen ausgetragen. Wer diesen Schritt vom Rechtsstaat zum Welt­anschau­ungsstaat geht, sollte es ehrlich zugeben. Die Innen­minister und Ver­fas­sungsschützer täuschen dagegen gern die Öffent­lich­keit: Sie stel­len die demokratische Rechte außerhalb des Gesetzes, obwohl sie tat­sächlich nur außerhalb der Ideologie der CDU- oder SPD-Minister stehen.

Die verfassungsrechtlichen Vorgaben für die Beurteilung heutiger Partei­en und Gruppierungen als verfassungskonform oder verfassungs­feindlich ent­nimmt die Rechtsprechung den Urteilen des Bundes­verfas­sungsgerichts, mit welchen die KPD und die SRP verboten worden wa­ren. In eben jenen Urtei­len hatte das BVerfG an­hand des Textes des Grundgesetzes den Merkmals­ka­talog der freiheit­lichen de­mo­kratischen Grundordnung entwickelt (SRP-Urteil, BVerfG E 2, 1. ff.. S.15 ff.). Anhand dieses Katalogs hatte es in den Ein­zelfällen der KPD und der SRP überprüft, ob diese Parteien gegen die freiheitliche demo­kratische Grundordnung kämpfen. Die Prü­fungen en­de­ten mit der Feststel­lung der Verfas­sungs­feindlichkeit und dem Verbot der beiden Par­teien. Bei der Prüfung der Verfas­sungs­mäßigkeit heutiger Parteien und Gruppierungen grei­fen Verwaltungs­gerichte darum auf die Argu­mentation des BVerfG for­mal und auch inhaltlich zurück. Der Merk­malskata­log wurde nämlich von den Bundes- und Landesgesetzen über­nommen und findet sich mit Gesetzes­kraft zum Beispiel in den Ver­fas­sungs­schutzgeset­zen. Um beurteilen zu können, ob dieser Rück­griff im Ein­zelfall argumentativ trag­fähig ist, muß man die ent­scheiden­den Aus­sagen des BVerfG gelesen haben und ken­nen (BVerfG Urteil vom 23.10.1952, E Bd.2 S.15 f., sog. SRP-Urteil.).

"Die besondere Bedeutung der Parteien im de­mokratischen Staat recht­fertigt ihre Ausschaltung aus dem poli­tischen Leben nicht schon dann, wenn sie einzel­ne Vor­schrif­ten, ja selbst ganze Institutionen der Verfas­sung mit legalen Mitteln be­kämp­fen, sondern erst dann wenn sie oberste Grundwerte des frei­heit­lichen demokrati­schen Verfassungs­staa­tes erschüt­tern wol­len. Diese Grundwerte bilden die freiheitli­che de­mo­krati­sche Grundordnung, die das Grundgesetz innerhalb der staatlichen Ge­samt­ord­nung - der verfas­sungsmäßi­gen Ordnung - als fun­da­mental an­sieht. Die­ser Grund­ordnung liegt letztlich nach der im Grundgesetz ge­troffenen verfas­sungs­politi­schen Entscheidung die Vor­stellung zu­grunde, daß der Mensch in der Schöp­fungs­ord­nung einen eige­nen selb­ständigen Wert besitzt und Freiheit und Gleichheit dau­ernde Grundwer­te der staat­li­chen Einheit sind. Daher ist die Grundordnung eine wert­ge­bundene Ordnung. Sie ist das Ge­gen­teil des tota­len Staates, der als aus­schließ­li­che Herrschaftsmacht Men­schen­würde, Frei­heit und Gleichheit ab­lehnt. Die Vorstel­lung des Vertre­ters der SRP, es kön­ne ver­schiedene freiheitliche demo­krati­sche Grund­ord­nungen geben, ist falsch. Sie be­ruht auf einer Ver­wechs­lung des Be­griffs der freiheit­li­chen de­mokrati­schen Grund­ord­nung mit den Formen, in denen sie im demo­kra­ti­schen Staat Ge­stalt an­neh­men kann.

So läßt sich die freiheitliche de­mo­krati­sche Grundordnung als eine Ord­nung be­stimmen, die unter Aus­schluß jeglicher Gewalt- und Will­kür­herr­schaft eine rechts­staatliche Herrschaftsord­nung auf der Grund­lage der Selbstbe­stimmung des Vol­kes nach dem Willen der jeweiligen Meh­r­he­it und der Frei­heit und Gleichheit dar­stellt. Zu den grund­legen­den Prinzipi­en die­ser Ord­nung sind min­destens zu rech­nen. Die Ach­tung vor den im Grundge­setz kon­kretisierten Men­schenrechten, vor allem vor dem Recht der Persön­lichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volks­souve­ränität, die Gewaltentei­lung, die Ver­antwort­lichkeit der Regierung (Demgegenüber bezeichnen heutige Verfassungsschutzgesetze in Bund und Ländern nicht die Verantwortlichkeit der Regierung, sondern ihre Verantwortlichkeit gegenüber dem Parlament als Wesensmerkmal der FdGO, was nicht zutrifft und vom BVerfG so nicht für richtig gehalten wurde.),  die Ge­setz­mäßig­keit der Ver­wal­tung, die Un­abhängigkeit der Ge­rich­te, das Mehr­parteien­prinzip und die Chan­cen­gleich­heit für alle politischen Par­teien mit dem Recht auf ver­fas­sungsmä­ßige Bil­dung uns Ausübung einer Op­positi­on."

Um diese Grundordnung verteidigen zu kön­nen, hat der Par­lamen­tari­sche Rat sie, einem freundli­chen Rat Carl Schmitts fol­gend (Carl Schmitt, Legalität und Legitimität, 1932,  55 f., 61.), als wehr­hafte Demo­kratie aus­gestal­tet. Ein System kann nicht stabil sein, wenn es die Macht­frage zuläßt und für seine eigene Ab­schaf­fung offen ist. So­lange ein Staat als politi­sche Ein­heit bestehen will, muß er den "inneren Feind" mit ver­bindlicher Wir­kung be­stimmen. Histori­scher Er­fahrung nach braucht je­der Staat seine Ketzer, Häre­tiker oder Ab­weich­ler. In al­len Staaten und al­len politi­schen Systemen gibt und gab es da­her jene Geächte­ten, Verfem­ten und Ausgegrenz­ten. 

Daß "Feinde der Demokratie" ausgegrenzt werden, ist aus demokra­ti­scher Sicht in Ordnung. Doch wer ist "Feind der Demokratie"? Das sind diejenigen, zum Feind erklärt werden, und zwar von denjenigen, die über die Macht zur Definition des Begriffs Demokratie verfügen. Im Medien­zeital­ter erfüllen Rund­funk, Fern­se­hen und Presse und vor al­lem der Ver­fas­sungs­schutz die Funk­tion, jede poli­tische Opposi­tion bei Bedarf als feind­lich zu brand­marken und - speziell die Rechte - als Sün­den­böcke zu stig­ma­ti­sie­ren.

Diese Stra­tegie der "Stig­matisie­rung" wird in Papieren der Re­gie­rungs­par­tei­en ausdrücklich betont und an­empfohlen. In internen "Über­legun­gen" des Kon­rad-Ade­nauer-Hau­ses "zur Strategie der CDU ge­genüber den REP" schreibt der Verfasser etwa:

"Daher scheinen mir die nach­ste­­­hen­den Methoden der 'Stigmatisierung' der REP er­folgreicher zu sein." (Hans-Joachim Veen, Norbert Lepszy und P. Mnich, "Überlegungen zur Strategie der CDU gegenüber den REP", April 1989, Hrg. Forschungsinstitut der Konrad-Adenau­er-Stiftung, Grund­­satz- und Planungsabteilung,, Interne Studien Nr.14/1991-1992 S.77.) -

Einem Parteistrategen einer Regierungspartei nimmt es niemand so einfach ab, wenn er die Opposition als verfassungsfeindlich stig­ma­ti­sie­ren möchte. Die VS-Berichte erwecken aber diesen Anschein und dienen darum der gleich­sam "amtlichen" Stig­matisierung. Wer sie durch­schaut, nimmt sie frei­lich nicht recht ernst: In einem Au­genblick spontaner Offenherzigkeit gab Prof. Mi­chael Sachs - am 12.2.1998 Prozeß­ver­treter des Landes NRW in der Ver­handlung vor dem Bundes­ver­­waltungsge­richt - zu: "Ver­fas­sungs­­schutzberichte haben auf Per­sonen, die auf so etwas an­sprechbar sind, noch eine gewisse Wirkung." Dezenter kann man seine Di­stanz vor den Erzeugnissen des ei­genen Auftraggebers kaum aus­drücken. "So etwas" - das mag so ein­fältig und ein­seitig sein wie es will, wirkt aber in zwei­erlei Weise: Dem Publi­kum, das nicht hin­ter die Kulissen blicken kann, wird ein säuberli­ches Schubladensystem vorge­gau­kelt, in das man die rechten und lin­ken Bösewichter sortieren kann. Durchetikettiert und stigmatisiert die­nen sie dem Parteienstaat als Feindbild. Einen direkten Rechtsschutz dagegen gibt es nicht, weil die Minister in VS-Berichten doch angeblich nur Meinun­gen ohne Rechts­qualität äußern. Anderer­seits ist zum in­ner­dienstlichen Abschuß freige­geben, wer als Staats­die­ner ins Faden­kreuz des Vorwurfs gerät, verfas­sungsfeindliche Ziele zu unterstützen. In sol­chen Diszipli­narverfahren benutzen Behörden die­selben Vor­würfe wie in VS-Berichten und möchten sie verwenden wie gerichtsver­wert­bare Fak­ten. Ihre an­geblichen bloßen Mei­nun­gen stellen sie im Hand­um­drehen als Fakten dar, wenn es gegen Be­amte oder Offiziere geht.

Der Verfas­sungs­schutz ist das Hauptinstrument des etablierten Par­tei­en­kar­tells. Als Schild und Schwert des Parteienstaats fällt ihm die Auf­gabe zu, schon im Vor­feld von Par­teigrün­dun­gen filternd zu wirken und vor­sichtige Natu­ren wie Be­am­te fern­zuhalten ("Sie wissen doch, als Be­amter kann ich mir das nicht er­lau­ben..."). Allein die Mög­lichkeit der nach­richten­dienstlichen Bespitzelung er­zeugt ein Klima der Ein­schüch­te­rung. In­dem niemand gegen die Behörden auf Feststel­lung kla­gen kann, er sei verfas­sungskonform, weiß kei­ner so recht, ob er noch die erlaubte Ge­sin­nung hat oder als "Radikaler" zum Bei­spiel im Staats­dienst Schwierigkeiten be­kom­men könnte. Diese in den 70er Jah­ren ge­gen Linke geübte Praxis lebte 1993 wieder auf, als Landes­innen­minister verkünde­ten, wer als Beam­ter REPU­BLIKA­NER sei, müsse sich hüten. Ob­jekt der Beobach­tung sind dabei im­mer nur "die an­de­ren": Ob­wohl die Bun­des­tags­par­teien seit Jahren am laufenden Band Ge­setze produ­zie­ren, die das Bun­des­ver­fas­sungs­gericht wegen ihrer Unvereinbar­keit mit Ver­fas­sungs­normen wie­der auf­hebt, spielen sie sich als al­leinige legitime Hüter der Verfas­sung auf. Die GRÜNEN wur­den be­spit­zelt, solange sie "draußen" waren. Nach ihrem Einzug in Parla­mente bildete man dann Koali­tionen mit ih­nen. Viel wichtiger als die tat­sächliche nach­rich­ten­dienstli­che Be­ob­ach­tung ist den Re­gieren­den im Zeitalter der symboli­schen Politik aber, die Op­posi­tion quasi amtlich als Staats­feinde stigmati­sie­ren zu können. Als Verun­glimp­fungs­instrument wird der Verfassungsschutz durch­aus be­wußt und ziel­ge­richtet eingesetzt. 

Der Verfassungsschutz gibt den jeweiligen Regierungspartei­en schein­bar ein le­ga­les Mit­tel, auch demokratische Konkurrenz­parteien mit nach­rich­­ten­dienstli­chen Mit­teln aus­zu­spä­hen. Welche Regierungs­partei hat nicht gern einen staatlich bezahlten Spitzel in der Runde, wenn der Vor­stand der Oppositionspartei tagt? Den Spion der SED im Bun­deskanzler­amt hat es gegeben, und den der SPD im Republikaner-Vorstand auch.

Hinsichtlich verfassungsschützerischer Erkenntnisse aber ist der In­formationswert nachrichten­dienst­li­cher Beob­ach­tung ge­ring: Da schleust man Spitzel in die Reihen einer Partei ein und nennt sie, an­ders als bei der Stasi, nicht IM (Informelle Mitar­beiter), sondern VM, was offen­bar für Ver­trauliche Mitarbei­ter stehen soll. Diese sitzen dann in Versamm­lungen, schrei­ben fleißig mit und sammeln für ihren Minister ko­sten­los an Ge­drucktem ein, was die­ser ge­gen Abonnement­ge­bühr auch hätte be­stel­len können. In der mündli­chen Ver­hand­lung vor dem VG Han­nover am 8.2.1993 zeigten sich die Verfas­sungsschützer baß erstaunt, daß man die Zei­tung DER REPU­BLIKA­NER auch einfach abonnieren kann. In ein­geheim­sten Druck­schriften der Beobachteten strei­chen dann Mi­ni­sterial­bü­ro­kraten fleißig Worte oder Sätze bunt an, die sie an­stößig finden. Diese Aus­beute, weil man andere nicht findet, wird später stolz den Ver­wal­tungs­richtern als "Tat­sa­chen" präsentiert, die Schlüs­se auf ver­fas­sungsfeindliche Bestre­bun­gen zu­las­sen sol­len. Auf den geringen Er­kenntniswert kommt es den re­gie­ren­den Partei­en dabei gar nicht an, son­dern nur auf den er­wünsch­ten Stig­ma­ti­sie­rungseffekt.

Der Erfolg der REPU­BLIKA­NER rührte an den Nerv der Macht­in­ter­­es­sen der Etablierten. Da heiligt der Zweck fast jedes Mittel. So wer­den dann bra­­ve, recht­streue Beamte mit Dro­­hun­gen einge­schüchtert, man werde dienst­­recht­­­lich über sie herzie­hen und sie schu­ri­geln, nur weil sie die RE­PU­BLI­KA­­NER für demokratischer halten als einen Landesmini­ster, ihren Dienst­herrn. Fände ein Ge­richt wider Er­­war­ten tatsäch­lich ei­nen Ver­fas­sungs­feind, hät­ten die REPU­BLIKA­NER nichts dage­gen, ihn selbst hin­auszu­kom­pli­­men­tieren. Der Einzel­fall ist aber eben­so unwichtig wie konkre­te Beob­ach­tungs­ergeb­nisse: Es kommt nur darauf an, die Be­amtenschaft da­von ab­zuhalten, überhaupt die Op­po­si­tion zu unterstützen, und flä­chen­deckend die RE­PUBLI­KA­NER vor dem Fern­seh­pub­li­kum als gro­ßen bösen Wolf dar­stel­len zu kön­nen, vor dem die ge­­äng­stig­ten Bür­ger flugs wieder in die Arme der Etab­lier­ten flüchten sollen. Auch hat die nach­richtendienstli­che Beobachtung für die beob­achtete Op­positi­onspar­tei eine Reihe unmittel­barer faktischer Nachteile: Von ei­nem Informanten der Verfas­sungs­schut­zes, der sich unerkannt in eine Partei ein­schleicht und sich dabei zwangsläufig auch Wahlen zu Parteiämtern stellt, darf kaum erwartet werden, daß er in der Partei tatsächlich deren Ziele för­dert. Wenn er schon nicht als Agent provoca­teur erst die "Verdachts­mo­mente" selbst pro­duziert, auf die es dem Dienst an­kommt, wird er jeden­falls nicht positiv die tat­sächlichen Partei­ziele för­dern.