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Vorwort "Mut zur Freiheit"
(zürück zur Hauptseite des Buches)

Nach dem Zusammenbruch der meisten geschlossenen religiösen und ideologischen Weltbilder lautet das große Problem unserer Tage: Woher nehmen wir die letzte Rechtfertigung für humanes Handeln, und wer entscheidet über dessen konkreten Inhalt?

Wer als Philosoph oder Politiker im Wortsinne "human" handeln will, darf sich neuen Erkenntnissen der Naturwissenschaften vom Menschen und vom Kosmos nicht verschließen. Er wird den Menschen als Teil eines Diesseits behandeln müssen, eines von in sich widerspruchsfreien Naturgesetzen erfüllten Kosmos. Nach diesem Abschied von allen metaphysisch, also durch eine Jenseitsidee inspirierten Tugendlehren führt nur ein schmaler Pfad zwischen der Skylla des Nihilismus und der Charybdis des politischen Fanatismus hindurch. Diesen Weg suchen wir. Der Nihilismus unserer Tage verkörpert sich im technomorphen, nur intellektualistischen, an keine Werte mehr glaubenden Zyniker des Eigennutzes. Wir können diesen Menschentypus weltweit tagtäglich in den Diskos der Massenzivilisation aufsuchen, aber auch in den Büroetagen der Stadtverwaltungen und Parteizentralen ebenso wie an den Stränden von Mallorca und Ibiza. Sein Gegenbild finden wir im hochfanatisierten Terroristen religiöser oder politischer Herkunft, aber überraschenderweise auch in jenen säkularisierten, kerzentragenden Bußprozessionen mit ihrer kollektiven Schamlust, bei den geifernden Bewältigungs-Einpeitschern und ihren Talk-Schauen, in denen der politische Ketzer unter angenehmem Gruseln der Zuschauer in der ersten Reihe so sicher exorziert wird wie in der Zeit der christlichen Inquisition.

Die geistige und ethische Herausforderung besteht darin, uns von diesen Plagegeistern zu befreien, ohne so zu werden, wie sie sind. Es gilt eine Ethik zu entwerfen und zu rechtfertigen, die uns selbst als freien Personen und als Volk nützt, eine Ethik ohne den Anspruch letzter, transzendenter Wahrheiten, eine Ethik, mit der wir unser gebrochenes Verhältnis zu uns selbst wieder finden und unseren Nachkommen eine Zukunft sichern können. Dabei möchte dieses Buch dem Leser helfen.

Wir müssen den Gegner an seinen geistigen Bastionen aufsuchen. Unter den festgezurrten Machtverhältnissen des totalen Parteienstaates, vor den Kanzeln der allgegenwärtigen Medienwelt, da läßt sich ohne politisch formierte Macht nichts gewinnen. Und diese Macht, das haben die vergangenen Jahre gezeigt, war zu schwach. Wir müssen den Gegner darum ganz still und leise von innen besiegen, mit besseren geistigen und ethischen Angeboten. Besser - das bedeutet: Sie müssen allen Mitbürgern evident sein. Wer politischen Erfolg sucht, muß seine Strategie und seinen geistigen Entwurf den Zeitverhältnissen anpassen. Auch unsere Mitbürger müssen wir da aufsuchen, wo sie sind: Nicht bei esoterischen Schwärmereien, sondern im Reich des handfesten Eigennutzes. 50 Jahre Liberalismus haben unsere traditionellen Wertvorstellungen abgeräumt und den Eigennutz zur heimlichen Privatreligion unserer Tage gemacht. Nicht gegen ihn, nein, gerade mit ihm als Rückenwind gilt es zu unser aller Eigennutz eine Ethik des Gemeinnutzes anzubieten, eine Ethik, frei von Überheblichkeit, aber auch frei von Selbsthaß. Diese Ethik wird uns nicht geistig fesseln, sondern befreien von den moralischen Zumutungen der Betroffenheitsriten und Bußübungen, sie wird uns frei machen, unser gestörtes Verhältnis zu uns selbst wiederzufinden.

Ganz ohne gedankliche Mühe ist der Durchblick bis zum Kern leider nicht zu haben. Mit Absicht wirft man, wie Nietzsche formulierte, kalte, graue Begriffsnetze über uns, mit denen man uns einzuwickeln verstanden hat und schon unsere Kinder in den Schulen von lebensfrohen Geschöpfen zu bußfertig Zerknirschten herabwürdigt. Wir müssen uns den absichtlich verbreiteten Staub aus den Augen wischen und wie der kleine Junge im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern erkennen und ausrufen, daß der Gegner nackend dasteht, daß da überhaupt nichts ist außer uns eingeimpften Wahnvorstellungen. Um diese Geister gründlich und endgültig auszutreiben, müssen wir uns zunächst im Arsenal der Philosophie umsehen und uns mit den Ideen bewaffnen, die von Partisanen der Geistesfreiheit in Jahrhunderten dort angesammelt worden sind.

Hintergrundfoto [Iphiclides podalirius]: Klaus Kunze, Athen 19.4.2009