Schmetterlinge können zaubern.
Jedenfalls können Sie Herzen verzaubern und auf ewig binden. Es gab da mal einen blassen, achtjährigen Großstadt-Jungen. Seine Spielwelt waren die Trümmergrundstücke rund um die stehengebliebene halbe Häuserzeile zwischen Bahndamm und Moltkestraße. Jährlich wurde er vom Gesundheitsamt auf sechs Wochen zur Kur geschickt.
Im Bombenhagel waren die Häuser bis auf die Grundmauern vernichtet, die Grundstücke aber schon enttrümmert. Wer klein und pfiffig war, fand zwischen Maschendrahtzäunen und Reklametafeln Schlupflöcher. Abgebrochenen Zahnstümpfen gleich ragten dort die Kellermauern übermannshoch, deckenlos, haltlos. War man klein, konnte man aber gut auf ihnen balancieren, zwei Steinbreiten Platz genügen kleinen Füßen.
Oben muß man wandeln, denn unten wuchert das Dickicht.
Sechzehn Jahre nach dem Bombentod erblühte dort pflanzliches
Leben, Gestrüpp - Brennesseln - und: Buddleja! Ungestört
breiteten sie sich dschungelhaft aus. Mochte es in dem
früheren Kellerloch auch nach nassem Ziegelschutt
stinken, mochten dort Asseln kriechen und Spinnen lauern,
hier oben reckte sich der Sommerflieder üppig der
Sonne entgegen.
Und auf ihm saßen: Schmetterlinge!
Admirale! Zitronenfalter! Füchse! Tagpfauenaugen! Dem Achtjährigen gingen die Augen über. Der Duft! - Sommer, Sonne, Buddleja und Schmetterlinge ließen Schutt, Trümmer und brandenden Autokrach vergessen. Hier war der Himmel. Der Kleine-Jungen-Himmel. Jedenfalls so ähnlich müßte er sein.
Der Jagdtrieb kitzelt alle Männer, auch wenn sie noch klein sind. Zwischen hohlen Händen brachte er den ersten, noch zappelnden Falter mit nach Hause. Liebevoller Vaterblick, aber ernste Mahnung: So geht das nicht. Nächste Woche lag zufällig ein erstes, kleines Schmetterlingsbuch auf dem Tisch.
Seitdem hat sich der Himmel nie wieder ganz schließen können. Immer gibt es irgendwo einen Sonnenstrahl, in dem von fern ein Falterflügel winkt. -
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