Wenn ich die Bewohner der reichen
Schwülmedorfer mit den Einwohnern meines Heimatdorfes
vergleiche, so muß ich immer wieder feststellen,
daß der Zusammenhang und die Zusammenarbeit,
die Nachbarhilfe und die Kameradschaft längst
nicht an die unseres Dorfes heranreicht.

Herr
Büthe mit seinen Pferden |
Wie angenehm sind die Winterabende,
wenn die Nachbarn im “Spinnentropp“ vereint, in
fröhlicher Unterhaltung den Ausgleich für ihre
harte Tagesarbeit finden. In fast jeder Notlage
greifen treue Nachbarn und gute Freunde helfend
ein, ohne das sie darum gebeten werden. Dieser
Zug der Hilfsbereitschaft, der auch im Wesen der Spar-und Darlehnskasse und
in der gemeinsamen Ableistung der Hand-Spanndienste
nach außen hin seine Dokumentierung findet, sind
bestimmt wertvoller als die Protzigkeit der reichen
Bauern der Schwülmedörfer.
Ein Original in unserem Dorfe war
der Bauer Karl Büthe. Man nannte ihn auch den Kinderfreund.
Immer war er guter Laune, nie sah man ihn verzagt,
auch in den ärgsten Notlagen gewann er den Umständen
nach eine heitere Seite ab. Wie oft sah man ihn
mit seinen Pferden und Wagen oder Schlitten, von
fröhlichen, lachenden
Kindergesichtern umgeben, im Dorf und Feld. Vor
Jahren wurden den Kindern die größte Freude des
Winters, das Schlittenfahren am Hirtenberg, verboten,
weil es den Verkehr auf der Dorfstraße beeinträchtigte.
Da zogen wir traurig mit unseren Schlitten heim.
Karl Büthe sah das, seine Großkinder waren auch
unter uns, spannte seine Pferde an und zog uns
mit unseren Schlitten durch die anderen Dorfstraßen.
Der Landjäger stand dabei und lächelte selbst.
Der alte Büthe hatte ihm ein Schnippchen geschlagen.
Das wiederholte sich
im Laufe der Jahre so oft, wie das Schlittenfahren
am Hirtenberge verboten wurde. War es dazu verwundern,
daß die Jugend an ihm hing? Schade, daß er jetzt
tot ist.

Karl Siebert |
Ein vielgereister Mann in unserem
Dorfe ist der ehemalige Kohlenfuhrmann und Bauer
Karl Siebert. Als die Holzkohlerei noch in
Fürstenhagen betrieben wurde, fuhr er mit seinem
Wagen die Holzkohle nach Kassel, Göttingen und
Duderstadt. Fast alle bekannten Persönlichkeiten
in diesem weitem Gebiet kennt der alte Siebert.
Als ausgezeichneter Erzähler weiß er von seinen
Fahrten viel Schnurren und Witze zu erzählen.
Ein unermüdlich fleißiger und hilfsbereiter
Mann in meinem Heimatdorf ist der Gemeindediener,
Totengräber und Schweinehirt Karl Gebert. Er steht
schon seit 1912 im Amt und ist bei allen Fürstenhägenern
ein gern gesehener und hochgeschätzter Gast.
Unser Bürgermeister ist der Bauer
Georg Korte. Er ist seit 1914 im Amt und somit
28 Jahre mit Umsicht die Geschicke der Gemeinde
gelenkt.

Herr Gebert
beim Schweineaustreiben am Hirtenberg.
Auf seiner Brust hängt das Tuthorn,
mit dem er die Schweine zusammenbläst. |
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De ole Thedur,
wie Herr Grote in Fürstenhagen genannt
wird. |
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Ein alter Köhler ist der Altenteiler
Theodor Grote, der mit seinem 80 Jahren noch
recht rüstig ist und noch immer in der Landwirtschaft
seines Sohnes mithilft. Er war jahrelang der Meister
der Fürstenhäger Köhlerleute. Noch gern erinnert
er sich dieser schönen alten Zeiten.
Auch mein verstorbener Großvater gehörte
mit zu den ältesten Leuten in Fürstenhagen. Er
verfügte über eine sehr gute Kenntnis fast aller
Tierkrankheiten, er war der Tierarzt im Dorfe.
Nebenbei war er Hausschlachter und Köhler. Oft
habe ich ihm zugehört, wenn er aus seiner Jugend
erzählte.
Wie ich schon erwähnte, gingen die
Leute am Sonntag Abend und an den langen Winterabenden in die Spinnstube.
Doch hat die Spinnstube ihren eigentlichen Sinn
längst eingebüßt, denn in keiner Spinnstube wird
heute mehr gesponnen. Heute kommen die Männer
und Frauen zusammen und erzählen von allerlei
interessanten Dingen. Die Frauen stricken dabei
und die Männer spielen Karten.
Schon die schulentlassene Jugend tut
sich jahrgangsweise zu einer Spinnstube zusammen.
Dort werden oft Spuk- und Greuelgeschichten erzählt,
die den Mädchen Furcht und Angst einflößten.